Die „alten Sachsen“ lassen grüßen.
Schon der römische Geschichtsschreiber Tacitus berichtete etwa 100 Jahre nach Christus in seiner „Germania“ über germanische Rechtsgewohnheiten: „Doch als Erben und Rechtsnachfolger hat jeder nur die eigenen Söhne, und es gibt kein Testament.“
Im Verlaufe des Mittelalters bis hin zur frühen Neuzeit entwickelten sich die Rechtsgewohnheiten der „alten Sachsen“ zu einem Erbrecht weiter. Das geschah allerdings regional unterschiedlich und sorgte in Norddeutschland dafür, dass die Landwirtschaft über Jahrhunderte hinweg produktiver ablief als in Süddeutschland:
Ein landwirtschaftlicher „Erbhof“ geht bei uns ungeteilt an einen einzigen Erben (Anerbenrecht). Dieses Erbschaftsrecht unterscheidet sich grundlegend von der in Teilen Süddeutschlands praktizierten Aufteilung auf alle Erben (Realteilung), die zu einer extremen Parzellierung der landwirtschaftlichen Nutzfläche führte.
Im Tecklenburger Land hat der zuletzt Geborene Vorrang (Jüngstenerbrecht). Mittlerweile gilt das gleichberechtigt für Jungen und Mädchen.
Natürlich hat diese Regelung auch Nachteile, zum Beispiel für die Geschwister des alleinigen Hoferben. Aber auch das ist im Rahmen der Höfeordnung so weit möglich geregelt.
Friedrich Prigge hat sich intensiv mit diesem Thema beschäftigt und seine Ergebnisse im Arbeitskreis für Stadtgeschichte vorgestellt. „Soweit wir die Weitergabe unseres Hofes zurückverfolgen können, wurde dieser immer als ‚Ganzes‘ an den jeweils jüngsten Nachkommen vererbt. Das war auch bei mir so der Fall“, beschrieb er seine persönlichen Erfahrungen mit dem von ihm untersuchten Erbrecht.
Einige Highlights aus seiner Recherche zur Entwicklung der „Höfeordnung“:
Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Erbfolge in der Eigentumsordnung festgelegt. 1741 führte man in Minden/Ravensberg das Minorat (Jüngstenerbrecht) ein. Es ist anzunehmen, dass in der Grafschaft Tecklenburg ebenfalls zu dieser Zeit das Minorat verfügt wurde. Dagegen entschied Münster 1770, die freie Wahl des Erben einzuführen.
Mit der Agrarreform von 1807 bis 1850 in Preußen wurde die Einführung des absoluten bäuerlichen Grundeigentums beschlossen. Im Jahre 1825 entließ man in der preußischen Provinz Westfalen die Bauern aus der Hörigkeit.
Die Vererbung der nun freien Höfe erfolgte nach der bisherigen Tradition (Eigentumsordnung) oder durch einen Vertrag. Am 02.07.1898 wurde diese Regelung als „Anerbenrecht“ in Preußen gesetzlich festgeschrieben.
Nach etlichen Überarbeitungen und „sprachlichen Anpassungen“ speziell im 3. Reich (das preußische Anerbengesetz wurde durch das Reichserbhofgesetz vom 29.September 1933 abgelöst), erließ man am 24.04.1947, aufgrund der durch Artikel XI des Kontrollratsgesetzes Nr. 45 erteilten Ermächtigung vom Zonenbefehlshaber der britischen Zone, die Höfeordnung (HöfeO), die aktuell in der 11. Auflage vorliegt.
Weitere Informationen zu dieser Regelung gibt Ihnen gerne Friedrich Prigge persönlich oder kommen Sie zu den Sitzungen des Arbeitskreises für Stadtgeschichte. Sie sind immer herzlich willkommen.
Recherche und Ansprechpartner: F. Prigge, E-Mail: ed.tenletuet@eggirp.hcirdeirf
Text: U. Bauschulte