Das Heimathaus ist für alle offen

Ein besonderer Glücksfall für den Verein ist das vereinseigene Heimathaus inmitten des Stadtzentrums, das gerade bei großen Veranstaltungen ein Besuchermagnet für Gäste aus nah und fern ist und sich der Verein als Gastgeber stets von der besten Seite zeigt.
Das Heimathaus als Perle des Vereins ist das sogenannte Beccard´sche Haus an der Bergstraße 10, nur einige Meter vom Rathausplatz mit dem historischen Römer entfernt. Bis zum Jahre 2005 fehlte dem Verein ein angemessener räumlicher Mittelpunkt als Begegnungsstätte. Seit 1968 stellte die Stadt Lengerich auf dem Schultebeyringhof am Stadtrand dem Verein zwar drei Räume zur Verfügung, wo das umfangreiche Archivmaterial einen Platz fand. 1985 wurden diese als Heimatstuben umgebaut.

Ein interessanter Besuch im Heimathaus lohnt sich immer.
Das denkmalgeschützte Fachwerkhaus aus dem Jahre 1648 beherbergt nicht nur einen musealen Teil mit historischen Alltagsgegenständen, Uhrmacherwerkstatt, Hochzeitszimmer, Kamin und Tenne, sondern es ist auch lebendiger Treffpunkt unserer aktiven Gruppen. Des weiteren erschließt eine umfangreiche Literatursammlung Zugang zu historischen Themen.

Der Heimathausgarten trägt den Charakter eines innerstädtischen Ackerbürgergartens.
Das raumbestimmende Gestaltungselement sind die langen Buchsbaumhecken mit den eingefassten Gartenwegen.
Zusätzlich zu den Staudenbeeten mit einem großflächig angelegten Hortensienbeet sind die Hochstamm-Obstbäume mit alten Apfelsorten ein weiteres typisches Element bäuerlicher Gartenkultur.

Besichtigungen bitten wir anzumelden unter: per Kontaktformular oder mail an das Vorstandsteam

 

Geschichte des Heimathauses

2003 bot sich die Gelegenheit. Das bisher privat genutzte Ackerbürgerhaus an der Bergstraße 10 stand zum Verkauf. Durch eine große Kraftanstrengung mit viel Eigenleistung seitens zupackender und spendabler Vereinsmitglieder sowie durch finanzielle Fremdmittel (NRW-Stiftung, Kreis Steinfurt, Stadtmarketing Offensive Lengerich, Stadt Lengerich, Denkmalsamt, Stadtsparkasse Lengerich) konnte das Beccard´sche Haus erworben und als Heimathaus umgebaut werden.

Am 21. Mai 2005 wurde im Rahmen einer großen Feier das Haus seiner neuen Bestimmung übergeben. Nach nunmehr über zehn Jahren ist das Haus zu einem kulturellen Kristallisationspunkt in unserer Stadt geworden, eingerahmt von einem 1.400 qm großen Garten, der in seiner ursprünglichen Anlage und in seinem Pflanzenbestand typische Elemente eines alten Bauerngartens aufweist mit Buchsbaumhecken, alte Obstbäume und Stauden.

Bei dem Beccardschen Haus handelt es sich im Ursprung um ein Fachwerkgiebelhaus aus dem Jahre 1648, das im Laufe der Jahrhunderte entsprechend dem Bedarf den veränderten Lebens- und Arbeitsbedingungen immer wieder erweitert, verändert und an der Straßenfront zur Bergstraße hin Anfang des 19. Jahrhunderts durch einen massiven Giebel aus Bruchsteinen verlängert wurde. Einige Jahre später erfolgte der Scheunenanbau mit zwei Torflügeln. Das Gebäude zählt zu den ältesten typischen Ackerbürgerhäusern der Stadt. Besonders markant an diesem Gebäude sind die großen Schiebefenster an der Süd – und Ostseite, die deutlich machen, dass Generationen von Kleidermachern hier gearbeitet und gelebt haben. Im Innern des Hauses sind neben der Feuerstelle mit Kamin und Steinbackofen, die Upkammer sowie Stein- und Holzfußboden im Original erhalten. Somit ist es nicht überraschend, dass es sich um ein denkmalgeschütztes Gebäude handelt, das in der Erhaltung eine große Herausforderung darstellt.
Als zweiter Bauabschnitt erfolgte der Ausbau des Dachbodens mit der Fertigstellung von zwei attraktiven und großen Räumen im Hauptgebäude und im Anbau, die seit der offiziellen Übergabe Ende 2010 größere Veranstaltungen und Treffen ermöglichen. Aus sicherheitstechnischen Gründen musste eine Außentreppe am Nordgiebel des Anbaus installiert werden, die als schlichte Metallkonstruktion sich dem Baukörper des denkmalgeschützten Bauwerks gut anpasst. Die Räumlichkeiten des Dachbodens werden in absehbarer Zeit gute Stellmöglichkeiten für Vitrinen und Ausstellungsstücke als Zeugen vergangener Arbeits- und Lebensbedingungen bieten. Das Heimathaus wird weiterhin eine Stätte der Begegnung sein und sicherlich noch mehr als bisher Platz für ein Museum mit wechselnden Ausstellungen bieten.

Familie Beccard in Lengerich

Die Familie Beccard entstammt den französischen Hugenotten, die wegen ihres protestantischen Glaubens Frankreich im 18. Jhdt. verließen, als unter König Ludwig XIV. der Glaube verboten und die Protestanten verfolgt wurden. Die Familie Isaak Beccard floh 1686 nach Parstein bei Angermünde in der Uckermark ( Preußen ) und siedelte sich dort mit etwa 30 Flüchtlingsfamilien an. Sie stammte aus dem kleinen Ort Vénérolles in der Picardie, in der Nähe von Mons, heute Belgien. Der älteste Sohn Abraham aus der bereits 3. Generation in Preußen siedelte um 1750 nach Berlin über.

Sein Sohn, Johann Friedrich Beccard in der 4. Generation, 1766-1836, lernte in Berlin das Schneiderhandwerk und kam nach seinen Wanderjahren über Leipzig, Dessau, Frankfurt/M., Den Haag, Münster, Osnabrück und zuletzt Haus Cappeln (Westerkappeln) 1796 nach Lengerich, wohl kein Zufall! Denn dort wohnte er bei der Familie Germain Bruno Bénard, Hotel „Goldener Löwe“, Bahnhofstraße, der aus Séléstat (Schlettstadt) kam, vermutlich Verwandtschaft: Bénard = Beccard. Die Verbindung wurde auch gehalten.

Als Geselle ging Friedrich B. zum Schneider und Kleidermacher Peter Wilhelm Dillmann an der Bergstraße 10. 1798 kaufte er von Kaufmann Blömer das Haus an der Münsterstraße 128, heute Münsterstraße 26, und heiratete ein Jahr darauf Margarethe Sophie Dillmann, die Schwester seines Meisters.

Das Ehepaar hatte drei Kinder: Friedrich, geb. 1800; Agnesa, geb. 1802 und Wilhelm, geb. 1808.
Friedrich erlernte das Klempnerhandwerk und blieb in dem Haus an der Münsterstraße, wo er mit Sophie Anna Welp eine Familie und den Klempnerbetrieb gründete.

Sohn Carl Friedrich Wilhelm heiratete Friederike Antrup aus Leeden, und deren Sohn Wilhelm führte ebenfalls das Geschäft weiter. Ihm folgten die Söhne Friedrich und Wilhelm Beccard, die das – jetzt – Installationsgeschäft – gemeinsam weiterführten. In der jetzigen Generation hat Karin Beccard, Meisterin im Installationshandwerk, das Geschäft übernommen.

Agnesa ging in das Hotel “Zum goldenen Löwen”, aber die Familie starb nach zwei Generationen aus und das Haus wurde verkauft (an Quarritsch).

Der jüngste, Wilhelm Beccard, wurde nach dem frühen Tod seiner Mutter, mit drei Jahren zu seinem Onkel Peter Wilhelm Dillmann an der Bergstraße gegeben, deren Tochter früh verstorben war. Dort wurde er liebevoll aufgezogen und zum Lehrer ausgebildet.

Seine erste Lehrerstelle war in Schollbruch und er heiratete auch 1840 die Tochter des Bauern Keller aus Schollbruch, Marie Charlotte Keller. Wilhelm erbte das Haus seines Onkels Dillmann und fortan wohnte die Familie in dem Haus an der Bergstraße 10. Es wurden 40 Jahre Lehrertätigkeit, Organist und Chorleiter. Die Familie war immer mit zahlreichen Kindern gesegnet. Es folgten noch zwei Generationen Lehrer: Julius Beccard und seine Tochter Marie, die beide an der Stadtschule unterrichteten. Im Haus an der Bergstraße lebten bis in die 70er Jahre die Schwestern Marie, Ursel, Musiklehrerin, und Martha Beccard, Mitarbeiterin im Roten Kreuz. Danach verwalteten es die Erben.

2003 erwarb der Heimatverein das Haus mit Unterstützung der Nordrhein-Westfalen Stiftung und baute es zum heutigen Heimathaus um.

Die Familien Beccard gibt es noch heute, wenn auch schon klein geworden, sind sie weit in der Welt verstreut – bis nach Neuseeland ausgewandert – und haben viele Namensvetter (oder weitläufige Verwandte) in ganz Deutschland.

Verfasst von Marlies Leifheit